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Peter Pan/Band 1 - London, erschienen bei Ehapa Comic Collection

von Régis Loisel

In einer Gasse in London erzählt im Winter 1887 ein Junge namens Peter Geschichten. Seine Zuhörer bestehen aus einer kleine Gruppe von Waisenkindern, die begierig das Märchen, das Peter erzählt, in sich aufnehmen. Als der Junge an einer furchtbar spannenden Stelle die Geschichte abbricht, ist der Hunger der Waisen aber noch lange nicht gestillt. Als Zugabe erzählt er ihnen von seiner Mutter und von der Zuneigung, die eine Mutter ihrem Kind gibt. Die Waisen sind begeistert. Dann werden sie gestört. Peter verläßt den Ort und wird von Mr. Kundal, einem älteren Herren, wie an fast jeden Abend herbei gerufen, der den Jungen in einer Gaststätte mit geistiger und echter Nahrung nährt. Dieses Ritual wird von den meist heruntergekommenen Gästen der Kneipe mit Argwohn verfolgt, die sich aus der seltsamen Freundschaft der Beiden so ihre eigene Geschichte zusammenreimen. Dann wird es Zeit für Peter zu seiner Mutter zu gehen, die eine Trinkerin ist und den Jungen sofort zurückschickt, um ihr eine Flasche Hochprozentiges zu besorgen. Zurück in der Kneipe muß Peter sich von der dort versammelten Schar erniedrigen lassen, um an eine Flasche zu kommen. Auf die Erwachsenen fluchend, verläßt er die Kneipe und er wird von Mr. Kundal abgefangen, der ihm etwas von seinem vor Jahren verschwundenen Vater erzählt. Außerdem gibt er ihm ein Buch, das einst seinem Vater gehört hatte. Wieder auf dem Weg nach Hause wird Peter von einem alten Widerling angefallen und kaum hat er sich gerettet, muß er vor Straßenhunden flüchten. Fast am Ziel angekommen, läßt er die Flasche fallen, worauf seine Mutter ihn verstößt. Einsam sitzt er nun da und er liest einem alten Vogel etwas aus dem Buch seines Vaters vor, als am Himmel ein helles Licht auf ihn zufliegt.

"Peter Pan" ist eine sehr freie Adaption des Kinderbuches von James Matthew Barrie und erst ganz am Ende des ersten Teils erreichen wir das phantastische Reich, in dem ein alter Pirat an einen gut bewachten Schatz heranzukommen versucht. Für Kinder ist diese Geschichte nicht gedacht, da schon das gräßliche Volk, welches in den Armenvierteln Londons lebt, frei von jeder Poesie und Märchenhaftigkeit ist. Die Huren und Halunken haben dort alles fest in ihren Griff. Doch gerade diese Verkommenheit macht klar, warum ein Junge wie Peter nicht erwachsen werden will. In der Welt, in der diese leben, hat die Phantasie längst keinen Platz mehr. Und so kommt das Licht, das für den Jungen den Weg in eine neue Welt freimacht, wie ein Segen. Zeitgemäß ist diese Adaption auf jeden Fall und sie gibt dem Autor viel Platz für weitere eigene Einfälle. Auch daß der Schauplatz London im Jahr 1887 für diese Geschichte gewählt worden ist, wird kein Zufall sein und daß die Huren sich ohne große Sorgen um ihre Sicherheit jeden Mann an den Hals warfen, wird wohl auch noch eine Rolle spielen, da man ja bekanntlich weiß, daß sich genau zu dieser Zeit einer der bekanntesten Serienkiller der Welt aufmachte, diese niederzumetzeln. Vor allem begeistert Loisel aber durch die vielen Details, die er seinen Bildern zukommen läßt, die sicherlich ein Grund dafür sind, daß von dieser Reihe in etwas mehr als 10 Jahren bloß fünf Bände erschienen sind. Doch um ein großes Comicwerk zu schaffen, braucht es halt auch einen hingebungsvollen Künstler und mit seiner Kunstfertigkeit steht er nach wie vor in der ersten Reihe der europäischen Comickunst. Auch daß viele seine Art zu zeichnen kopieren, niemals aber an ihn herankommen, zeigt, wie gut Loisel ist.